Canfranc
Wenn man als Reisender aus Frankreich durch den Somporttunnel das Örtchen Canfranc (Spanien) erreicht, eröffnet sich einem ein bizarres Bild. In diesem vergessenen Tal, in einem Ort mit ca. 600 Einwohnern steht ein wahrhaft gigantischer Bahnhof. Ein Gebäude von 250 Metern Länge, und von (zumindest für Bahnfreunde) bezaubernder Schönheit. In den Jahren 1921 bis 1925 wurde dieses Gebäude errichtet. Es sollte zentraler Umsteigepunkt einer Expresslinie Paris - Madrid werden. Ankommende Passagiere sollten auf der einen Seite den Zug verlassen, Pass- und Zollkontrollen durchlaufen und auf der anderen Seite den nächsten Anschlusszug besteigen. Nötig wurde diese Prozedur durch die verschiedenen Spurweiten der französischen und spanischen Eisenbahnen. Auch musste zu jener Zeit Frachtgut an den Grenzen nach Spanien umgeladen werden. Die Grösse des Bahnhofs entsprach dem einer Stadt mit 100 000 Einwohnern.
Schon in den ersten Betriebsjahren zeigte sich, dass der Bahnhof bei weitem am Bedarf vorbeigeplant war. Den Status eines internationalen Umsteige- und Umschlagsbahnhof erreichte Canfranc nie.
Die Strecke nach Frankreich wurde im Jahre 1970 nach einem Brückeneinsturz auf französischer Seite eingestellt.
Der Unfall
Am frühen Morgen des 27. März 1970 um 6:45 verlässt ein Güterzug mit Mais beladener Schüttgutwagen den Bahnhof von Bedous in Richtung Canfranc. Wie üblich wurde der Zug von zwei elektrischen Lokomotiven (BB4227 und BB4235) aus dem Jahr 1925 gezogen. Die vorangegangene Nacht war kalt, Reif bedeckte die Landschaft. Die Trafostation von Urdos war in der Nacht abgeschaltet worden und lieferte keinen Fahrstrom. Deshalb lagen auch nur 1000V, statt der benötigten 1500V an der Fahrleitung an. Zusätzlich waren unglücklicherweise auch die Sandbehälter der beiden Lokomotiven leer.
Der Zug bleibt auf halber Strecke liegen. Das Personal versucht noch, diesen an der Steigung notdürftig zu sichern, als er sich talwärts in Bewegung setzt. In der Nähe der Ortschaft L´Estanguet hat der unbesetzte Zug geschätzte 140km/h erreicht, als er auf einer kastenförmigen Gitterbrücke entgleist. Die Wagen verkeilen sich auf der Brücke, die Wucht des Aufpralls reisst die Stahlkonstuktion in die Tiefe. Durch glückliche Umstände kommt dabei kein Mensch zu Schaden.
Nur halbherzig versucht die SNCF, die Strecke nach Canfranc wieder in Betrieb zu nehmen und gibt das Projekt schliesslich ganz auf. Die internationale Bahnlinie und die Bedeutung des Bahnhofs Canfranc als Grenzbahnhof sind damit Geschichte. Noch bis heute halten sich Gerüchte und Verschwörungstheorien, die SNCF hätte die letzte Lok am Vortag des Unfalls aus Canfranc abgezogen. In der Tat verblieb keine SNCF-Lok in Canfranc. Der Hergang des Unfalls erscheint recht dubios und der Unterhalt der Strecke war sehr aufwändig.
Heute ist das Gelände des Bahnhofs im Zustand von 1970. Das Gelände der normalspurigen Seite verwildert, die Renfe bedient den Bahnhof noch mit einem Triebwagen. Seit 2007 wird das Gebäude saniert, das Dach ist bereits erneuert. Das Empfangsgebäude wurde in ein kleines Häuschen verlegt.
Die Oberleitungsmasten stehen noch, Leitungen hängen herunter.
Hier ein Blick in den Güterschuppen, dessen Inhalt sich in den vergangenen 40 Jahren nicht wesentlich geändert haben dürfte.
Das heutige Empfangsgebäude:
Auf französischer Seite sieht die stillgelegte Strecke heute so aus: